Der Jüdische Friedhof Deutz
In unmittelbarer Nachbarschaft des Abendgymnasiums befindet sich der jüdische Friedhof, der der Straße Judenkirchhofsweg seinen Namen gegeben hat. Streng genommen ist diese Bezeichnung jedoch irreführend: Ein Kirchhof ist traditionell ein christlicher Friedhof, meist in unmittelbarer Nähe einer Kirche. Im Judentum gibt es dagegen keine „Kirchhöfe“, sondern eigene Begräbnisstätten, die mit Begriffen wie Beth HaChaim (Haus des Lebens) oder Beth Olam (Ewiges Haus) bezeichnet werden.
Der jüdische Friedhof am Judenkirchhofsweg in Köln-Deutz wurde 1695 gegründet und ist die älteste erhaltene jüdische Begräbnisstätte im heutigen Kölner Stadtgebiet. Er entstand in einer Zeit, in der Juden innerhalb Kölns nach der Vertreibung von 1424 nicht leben durften und sich daher in Deutz und anderen rechtsrheinischen Orten niederließen.
Die ersten Bestattungen fanden 1698 statt. Über die Jahrhunderte entwickelte sich die Anlage weiter: Erweiterungen erfolgten im 19. Jahrhundert, zeitweise durften Grabsteine nur liegend gesetzt werden, da das benachbarte preußische Militär dies anordnete. 1918 wurde der Friedhof geschlossen; seitdem finden Bestattungen auf dem neuen jüdischen Friedhof in Bocklemünd statt. Insgesamt ruhen in Deutz rund 5000 Verstorbene. Die letzte Bestattung erfolgte 1942 während der Zeit der nationalsozialistischen Verfolgung.
Bedeutende Persönlichkeiten
Auf dem Friedhof sind zahlreiche bedeutende Mitglieder der jüdischen Gemeinde beigesetzt, darunter:
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Familie Oppenheim, die die berühmte Synagoge in der Glockengasse errichten ließ,
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Isaac Offenbach, Vater des Komponisten Jacques Offenbach,
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Moses Hess, Philosoph und früher Sozialist (seine Gebeine wurden 1961 nach Israel überführt),
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David Wolffsohn, Nachfolger Theodor Herzls als Präsident der Zionistischen Weltorganisation.
Die Anlage heute
Die heutige, etwa 18.000 m² große Anlage ist eingefriedet und wird gärtnerisch betreut, bewusst jedoch in einem naturbelassenen Zustand erhalten. Sie steht unter der Verwaltung der Synagogen-Gemeinde Köln. Führungen finden in unregelmäßigen Abständen statt.
Die auf dem Grabstein oben dargestellten gespreizten Hände sind das Symbol der Kohanim, der Nachkommen der priesterlichen Familie Aarons, des Bruders von Mose. In der jüdischen Tradition erheben die Kohanim bei der Liturgie ihre Hände und sprechen den priesterlichen Segen (Birkat Kohanim) über die Gemeinde. Dabei werden die Finger in charakteristischer Weise gespreizt, sodass Öffnungen entstehen, durch die der göttliche Segen symbolisch auf das Volk Israel herabströmt. Auf einem Grabstein zeigt dieses Zeichen an, dass der Verstorbene ein Kohen war und somit aus dieser priesterlichen Linie stammte. Es verweist damit zugleich auf seine religiöse Würde und auf die lange Tradition seiner Familie.
Interessant ist, dass die Geste weit über den religiösen Kontext hinaus bekannt wurde: Der berühmte „Vulkaniergruß“ von Mr. Spock in der Science-Fiction-Serie Raumschiff Enterprise (Star Trek) geht auf genau diese Segensgeste zurück. Der Schauspieler Leonard Nimoy, Sohn orthodox-jüdischer Eltern, erinnerte sich an eine Kindheitserfahrung in der Synagoge, wo er den Segen der Kohanim heimlich beobachtete. Das eindrucksvolle Bild der gespreizten Finger prägte ihn so stark, dass er es Jahre später für die Rolle des Vulkaniers Spock übernahm. Damit fand ein jahrtausendealtes jüdisches Symbol auf überraschende Weise Eingang in die moderne Popkultur.
Religiöse Bedeutung
Im Judentum heißt der Friedhof Beth HaChaim (Haus des Lebens) oder Beth Olam (Ewiges Haus). Jeder Verstorbene erhält ein eigenes Grab mit Grabstein, der nach Osten – Richtung Jerusalem – ausgerichtet ist. Ursprünglich trugen die Steine hebräische Inschriften; seit dem 19. Jahrhundert findet man häufig auch zweisprachige Beschriftungen.
Im jüdischen Glauben spielt die Unversehrtheit des Körpers nach dem Tod eine große Rolle. Es wird davon ausgegangen, dass ein Teil der Seele auch nach dem Sterben mit dem Körper verbunden bleibt. Deshalb gilt die Bestattung im Erdgrab als heiliges Gebot, während eine Verbrennung den natürlichen Übergang stört und die Ruhe der Seele beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum die systematische Verbrennung der Leichen in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern für Jüdinnen und Juden eine zusätzliche, besonders tiefe seelische Grausamkeit bedeutete: Sie zerstörte nicht nur das Leben, sondern nahm den Opfern auch die Möglichkeit einer würdigen Bestattung im Einklang mit ihrer religiösen Tradition.
Im Judentum steht das Leben im Mittelpunkt, weshalb der Besuch von Gräbern traditionell auf bestimmte Anlässe beschränkt ist. Gedenktage wie der Jahrzeit – der Todestag eines Angehörigen – oder bestimmte Feiertage wie Jom Kippur oder das Neujahrsfest Rosch ha-Schana sind typische Zeiten, an denen man die Verstorbenen besucht, ein Gebet spricht oder einen kleinen Stein auf den Grabstein legt. Ansonsten wendet man sich dem Leben zu, ganz im Sinne der religiösen Haltung: Die Toten ruhen im Beth Olam – dem „ewigen Haus“ – und die Aufgabe der Lebenden ist es, ihr Leben zu gestalten und die Erinnerung zu bewahren, ohne den Tod in den Alltag zu rücken.
Im Wandel der Zeit: Gestaltung und Lage
Auf dem jüdischen Friedhof in Deutz lassen sich neben dem Wandel der Sprachgestaltung mehrere Jahrhunderte der Begräbniskultur ablesen. Die ältesten Grabsteine sind meist schlicht gehalten und aus Sandstein gefertigt. Mit der Zeit traten jedoch aufwändigere Gestaltungen hinzu: kunstvoll bearbeitete Steine, größere Platten und individuell gestaltete Symbole spiegeln den wachsenden Wohlstand einzelner Familien ebenso wie den zunehmenden kulturellen Austausch mit der nichtjüdischen Umgebung. Besonders deutlich wird dies an Symbolen, die ursprünglich nicht aus der jüdischen Tradition stammen, etwa an der Darstellung einer gebrochenen Säule. Dieses Motiv steht allgemein für ein zu früh beendetes Leben und zeigt, wie sich auch nichtjüdische Bildsprache in den Gestaltungsformen der Grabsteine niederschlug. Der Friedhof wird damit zugleich zu einem sichtbaren Zeugnis der wechselnden Einflüsse und Ausdrucksformen vom 17. bis ins 20. Jahrhundert.
Jüdische Friedhöfe wurden traditionell nicht in unmittelbarer Nähe einer Synagoge angelegt, sondern eher am Rand von Ortschaften oder in einem gewissen Abstand zu bewohnten Zentren. Gründe dafür sind religiöser Natur – etwa Reinheitsvorschriften, nach denen Personen, die mit dem Tod in Berührung gekommen sind oder in demselben Raum wie ein Verstorbener waren, als kultisch unrein gelten – sowie praktische und wirtschaftliche Überlegungen, z. B. dass Randlagen günstiger sind und weniger stören.
In Deutz erklärt sich die Lage vor allem aus den damaligen Rahmenbedingungen: Nach der Ausweisung der Juden aus Köln 1424 durften sie innerhalb der Stadtmauern über Jahrhunderte nicht siedeln. Erst auf der rechtsrheinischen Seite, in Deutz, war eine kleine jüdische Gemeinschaft möglich. Als der Erzbischof den Juden 1695 ein Grundstück zur Pacht überließ, lag dieses am Rand der Ortschaft, außerhalb der engen Bebauung und damit ganz im Sinne der jüdischen Tradition, Friedhöfe nicht in unmittelbarer Nähe der Synagoge oder im belebten Ortskern anzulegen.
Die Wahl des Platzes im damaligen Deutz war somit eine Mischung aus religiöser Rücksicht (Abstand zum Ort des Gottesdienstes), praktischen Gründen (Grundstücke am Ortsrand waren verfügbar und erschwinglich) und den rechtlichen Einschränkungen, die Juden in Köln weiterhin erdulden mussten. Heute wirkt die Lage durch die städtische Ausdehnung Kölns zentral, sie war jedoch im 17. Jahrhundert eine Randlage.
Links
https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCdischer_Friedhof_Deutz
https://altes-koeln.de/wiki/Judenkirchhofsweg
https://de.findagrave.com/cemetery/2227530/j%C3%BCdischer-friedhof-deutz